Seine Ehefrau erinnert sich

Er war ein visionärer Einzelgänger, ein bedeutender Bildhauer – menschlich bescheiden, liebenswürdig und stets hilfsbereit. Sein Lebensinhalt war das künstlerische Schaffen – alles andere spielte eine untergeordnete Rolle. Er war wesensmäßig tief religiös. Wenn eine Arbeit gut gelungen ist, dann war das „Gnade“. Das war sein Bekenntnis. Eine gut gelungene Arbeit war also nicht sein Verdienst, sondern ein Gottesgeschenk. Er betrachtete sich - und das verstärkte sich mit zunehmendem Alter - als Werkzeug Gottes. So demütig war er, tief gläubig. Seine Arbeit stand immer an erster Stelle; er verstand sie als seinen Auftrag. Er war ein innerlich getriebener Mensch – fanatischer Arbeiter, eben durch und durch Künstlernatur! Ich verstehe das heute besser als damals. Er war ein Besessener; bei seiner Arbeit hat er alles um sich vergessen. – So war er, ist seinen Weg konsequent gegangen – einer inneren Stimme folgend. Sein Weg war mühevoll, doch konsequent.

Luis ist am 31. Mai 1904 in München geboren als lediges Kind. Seine Mutter, Anna Rauschhuber, war die Tochter eines Waldarbeiters und seiner Frau, stammte aus Kraiburg am Inn und war damals in einem Hotel in München als Köchin beschäftigt. Der Vater von Luis soll Italiener gewesen sein und zwar aus der Aristokratenfamilie „De Spada“ stammend. Dies behauptete seine Tante Rosa Rauschhuber, die in demselben Hotel in München als Beschließerin beschäftigt war. Sie muss ihn wohl gekannt haben. Leider gibt es keine Beweise; und dieses Fehlen einer klaren Herkunft hat Luis zeitlebens gequält. Außerdem das Fehlen einer Nestwärme, die er als Kind nicht erfahren hat, denn die Mutter starb als Luis ein halbes Jahr alt war. Er wuchs dann bei den Großeltern in Kraiburg auf und lernte dort frühzeitig mitzuarbeiten.

Der Großvater war ein aufrechter, tief religiöser Mann, der von früh bis zur Dunkelheit schwer im Wald arbeiten musste für ein jämmerliches Gehalt (wir hatten ja noch die „gute alte Zeit“)! Sein Gehalt reichte offenbar nicht zum Erhalt der Familie – so baute die Großmutter im Garten Gemüse und Salat an und verkaufte an die Bauern. Da wurde der kleine Alois früh an schwere Arbeit gewöhnt. Im Wald gab es Wurzelstöcke auszugraben, das war das billige Brennholz. Dazu hat er heimlich im Inn gefischt in aller Frühe – das war verboten -. Er wurde aber nie erwischt, denn er hat die Angel vergraben; so hat sie der Gendarm, der nachforschte, nie gefunden. Das hat Luis oft stolz erzählt. Jedenfalls hat er mit seinen Fischen den Tisch bereichert und die energische strenge Großmutter etwas zur Milde gestimmt. Der Großvater wurde von einem umstürzenden Baum erschlagen und auf einem Karren heim gebracht.

Die Großmutter starb kurz darauf als Luis 16 Jahre alt war. Luis hat erzählt, dass die Nachbarn und Bekannten gekommen sind in die Stube, wo die Tote aufgebahrt war, haben Kerzen angezündet und gebetet, auch der Herr Pfarrer war da. Nach dem Beten sind alle wieder gegangen – auch der Pfarrer - keiner hat gefragt „was wird jetzt aus Dir Alois?“ Er blieb allein im Haus und schlug sich durch recht und schlecht. Der 1. Weltkrieg war zu Ende. Man baute damals ein Kanalbett für den wilden Inn, der jedes Jahr zur Zeit der Schneeschmelze durch Überschwemmung und reißende Strömung schwere Schäden angerichtet hatte. Auch das Haus der Großeltern hatte oft unter Wasser gestanden.

Luis hat beim Kanalbau mitgearbeitet. In diese Zeit fällt der Briefwechsel mit seinem Halbbruder Alfons, dem ledigen Sohn der Tante Rosa. Diese Tante Rosa lebte nun in Nürnberg mit ihrem Sohn und in den Ferien kam der Alfons nach Kraiburg. Mit diesem "Halbbruder" verband Luis eine innige Freundschaft bis ans Lebensende. Sie sind auch kurz nacheinander gestorben; Alfons im Januar, Luis im Mai 1973. Der Briefwechsel dieser beiden Buben ist rührend. Alfons ist Stadtkind, er geht aufs Gymnasium. Seine Mutter ist ehrgeizig, er soll was besseres werden. Luis arbeitet am Kanalbau, als Hilfsarbeiter und dann als Vermessungsgehilfe und schickt, wenn er’s erübrigen kann, in jedem Brief 5.- Reichsmark nach Nürnberg.

Mittlerweile kommt die Inflation und in Nürnberg Hungersnot. Tante Rosa und Alfons laden Luis ein zum Weihnachtsfest zu kommen. Was macht der Luis? Er gibt sein Erspartes einem Bauern und lässt ein Schwein schlachten. Dies wird zerlegt, verwurstet und verpackt. Mit einem großen und schweren Koffer voll dieser Pakete kommt nun der liebe Luis nach Nürnberg. Er kann’s kaum schleppen. Die Überraschung und Freude, die das ausgelöst hat, kann man sich kaum vorstellen. – Tante Rosa bot Luis an, bei ihr zu bleiben. Sie hat ihn wie ihren 2. Sohn bei sich aufgenommen. Das war wohl im Winter 1923/24 zur Zeit der Inflation.

Luis blieb nun in Nürnberg, und damit begann ein neues Leben und sein eigentlicher Werdegang. – Er ging staunend durch diese Stadt; vor allem die Kirchen St. Sebald und St. Lorenz haben ihn begeistert mit ihrem reichen Figurenschmuck. Und plötzlich, einer inneren Stimme folgend, stand für ihn fest: das will er lernen, so etwas zu arbeiten. – Er suchte sich einen Steinmetzmeister um bei ihm dieses Handwerk zu lernen und hat dort 3 Jahre durchgestanden. Das war bestimmt keine leichte Zeit; Stein bearbeiten ist ein schweres Handwerk. Vorwiegend musste er Treppenstufen meißeln. Luis war ja nicht sehr kräftig, mittelgroß und eher zierlich gebaut. Nebenbei besuchte er Abendkurse für Akt- und Portrait- Zeichnen. Nach der Lehrzeit besuchte er die damalige „Staatsschule für angewandte Kunst“ in der Flaschenhofstraße und ist dort wohl bald durch seine besondere Begabung und enormen Fleiß aufgefallen.

In der Ferienzeit ging er auf „Wanderschaft“, und arbeitete bei verschiedenen Steinmetzmeistern kurzzeitig mit. So kam er nach Norddeutschland und sah Städte wie Düsseldorf, Duisburg, Berlin und Breslau. Er hatte ja wenig Geld und bat um ein Stipendium. Der damalige Direktor der Schule, Prof. Brill hat ihn unter seinen besonderen Schutz genommen und gefördert. Er hatte für’s Stipendium eine Arbeit nachzuweisen, man gab ihm einen Nebenraum dafür und hier entstand der „Schmerzensmann“ eine strenge architektonische Stele aus Kunststein, die heute in St. Martin, Rollnerstraße, als Kriegerdenkmal steht.

Sein Lehrer und die Mitschüler waren verblüfft, als sie diese Arbeit sahen – sie gehört heute noch zu seinen ausdrucksstärksten. Übrigens ist dieser Schmerzensmann bei der Zerstörung seines Ateliers in der Flaschenhofstraße durch eine Luftmine inmitten der Trümmer unversehrt stehen geblieben. 
Er hat sich mit Begeisterung an jedem Wettbewerb, an jeder gestellten Aufgabe beteiligt und hat viele Auszeichnungen bekommen. Das Portrait lag ihm besonders. Von 1930 bis 1933 ging er mit Stipendium nach München an die dortige Akademie der Bild. Künste als Schüler von Prof. Killer, mit dem ihn ein gutes Verhältnis verband. Dort in München war er natürlich wieder finanziell sehr schlecht gestellt. Er aß zu Mittag an einem Freitisch, wo damals viele verarmte Aristokraten und Russische Emigranten zu Gast waren.

Eine neuerliche Eingabe um Stipendium wurde ihm abgelehnt und er musste erfahren, dass dieses Stipendium einem Kollegen gewährt wurde, der neben einem schönen Monatswechsel gute Beziehungen hatte. Das hat Luis furchtbar geärgert. Ein befreundeter Musiker hat ihm geraten heut’ Abend mitzukommen zu einer Partei, die gegen solche Korruption angehen wolle, jawohl! Luis ging mit und hat sich am Eingang in den Saal als Mitglied eintragen lassen; naiverweise. Das war 1932. Sehr bald danach sind ihm die Augen aufgegangen! Er war der harmloseste PG, den man sich vorstellen kann, ist auch nie mehr zu einer Veranstaltung gegangen. Aber einen Austritt hat er auch nicht riskiert, – das wäre gefährlich gewesen.

Im Jahr 1933 kam Luis nach Nürnberg zurück und bezog nun ein Meisteratellier in der Flaschenhofstraße neben seinem ehemaligen Lehrer Prof. Widmer. Nun arbeitete er als freier Bildhauer und war in Nürnberg bald eine in kulturellen Kreisen bekannte Persönlichkeit. Er wohnte weiterhin bei seiner Tante und arbeitete tagsüber im Atelier. Es kamen Aufträge, vor allem mit Bildnissen ist er sehr bekannt geworden. Seine Portraits zeichnen sich durch ein beseeltes Innenleben aus. Bei jeder Ausstellung hat er mitgewirkt. Besonders bekannt wurde sein „Beethoven“, der während des Krieges ausgelagert war. Das Lager wurde geplündert; der Kopf war verschwunden.

Durch Auslagerung eines Teiles seiner Arbeiten hat Luis das Modell zum Beethovenkopf gerettet, nach diesem Modell ein nochmaliges Bildnis geschaffen, und ein Bronzeguss dessen steht jetzt vor dem Konzertsaal der Musikhochschule im Heilig-Geist Spital Nürnberg. Die politische Entwicklung hier und vor allem der Krieg haben Luis sehr belastet. Er hielt sich politisch zurück, hatte einen Freundeskreis von Kollegen, Intellektuellen, Leuten vom Theater und Musikern, die alle dem Regime kritisch gegenüberstanden. Seine Aufträge waren Portraitbüsten und Architekturplastik von privater Seite. Er war ja menschlich so liebenswürdig und anspruchslos und hatte überall Freunde.

Beim Militär war er nur kurze Zeit und wurde wohl ausgemustert wegen Untauglichkeit. Ich kann ihn mir in Uniform gar nicht vorstellen, er war bestimmt der schlechteste Soldat, den man sich denken kann. Wir lernten uns in Würzburg kennen während des Krieges. Er hatte im Auftrag der Städt. Galerie Würzburg eine Bildnisbüste des bekannten Malers Herman Gradl gemacht und dieses Bildnis nach Würzburg gebracht...

Gertrud Rauschhuber

Gertrud Meixner (Rauschhuber)

1943
1942
1958
1965

Ein persönlicher Brief
von 1944 an seine Gertrud.

 

Gertrud Rauschhuber erzählt
Aufzeichnung seiner Ehefrau