Das Menschenbild Luis Rauschhubers

Neben vielen religiösen Motiven schuf Luis Rauschhuber auch zahlreiche Darstellungen von Musizierenden, Liebespaaren, Menschen in der Begegnung, im Gespräch. Sie stellen gewissermaßen die heitere Seite des Lebens vor. Es werden Themen wie Freundschaft, Liebe, Trost, Erwartung, Beratung angesprochen. – Die Musizierenden erwecken den Eindruck, ganz von der Außenwelt abgetrennt, in sich gekehrt zu sein und in der Musik aufzugehen, jene Fähigkeit also, die Luis Rauschhuber bei vielen Menschen zunehmend verkümmern sah.

"Der Mensch hat das Hören und Schauen, das `Insichhineinhören` und Schauen verlernt." 

(Brief an Gertrud Meixner, 16. April 1943)

Wer sich die Zeit nimmt sich einzufühlen, in die – auf den ersten Blick – eher sehr einfach wirkenden „Musizierenden“, spürt die Harmonie dieser Figuren und die darin mitschwingende Poesie. Flöten-, Lauten-, Harfenspieler oder Sänger, allen Musizierenden ist der versonnene, horchende Ausdruck in den Gesichtern gemein, sowie eine Ausstrahlung der Ruhe und nicht eines extensiven, temperamentvollen Spieles. In welchen Bann Luis Rauschhuber selbst durch eine musikalische Darbietung gezogen werden konnte, mögen die Zeilen eines Briefes aufzeigen in denen er seinen Eindruck eines Abends schildert, bei dem ein Musikprofessor und ein Sänger für Hörgenuss sorgten:

"Ja, ich weiß, dass auch die Stunden jener Nacht in ihrer Tiefe für mich eine Einkehr waren, eine Sammlung meiner inneren in Unordnung geratenen Kräfte, eine Station, wo ich mich in dieser meiner Einkehr mehr nach der Mitte meines Zieles richten konnte."

(Brief an Gertrud Meixner, 21. Juni 1943)

Der Typus des Rauschhuber´schen Menschenbildes, der die Schattenseite des Lebens verkörpert, ist der „Leidende“. Zum Teil erinnern diese leidenden Gestalten sowohl in der Thematik als auch in der formalen Ausgestaltung an jene von Käthe Kollwitz und Ernst Barlach. In den späteren Werken findet Luis Rauschhuber dann zu einer abstrakteren Formensprache, so, um ein Beispiel zu nennen, in einer Zeichnung von 1966 (siehe Abbildung unten), – hier wird der Ausdruck des Leidens auf die Gestik des Krümmens reduziert, die durch zwei kraftvolle, auf Grund ihrer Parallelität sich verstärkenden Linien veranschaulicht wird. Durch die Betonung der rechten unteren Bildecke entsteht der Eindruck eines Dahingeworfenwerdens. Es wird damit das Ausgeliefertsein eines jeden Menschen seinem Schicksal gegenüber angesprochen. Die Gestalt wird an zwei Seiten vom Bildrand überschnitten, ein Kompositionsmittel, das die Macht und Stärke des Erlebnisses betont.

Die eigenen Lebenserfahrungen sind bei Luis Rauschhuber untrennbar mit der Tiefe des Ausdrucks seiner Arbeiten verbunden. Nach einem schweren Sturz, als er in der Folge seine Kräfte schwinden sah und darunter litt, nur noch eingeschränkt seinem plastischen Arbeiten nachgehen zu können, entstanden viele Werke, in denen er sich mit dem Thema Leid auseinandersetzte. Die überlebensgroße Figur „Der leidende Mensch“, die heute auf dem Gelände des Klinikums Nord in Nürnberg steht, wurde ihm eben in dieser Zeit in Auftrag gegeben. Es war das letzte große Werk, das Luis Rauschhuber schuf. Danach musste er auf Grund seiner angeschlagenen Gesundheit auf schwere Werkstattarbeit verzichten.