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Brief von Luis Rauschhuber an Gertrud, datiert rechts oben: Nürnberg, 29.II.44
Die Zeichnung im Briefkopf stellt den Schriftsteller R. Rolland dar,
welcher die Michelangelo-Biografie geschrieben hat.

Meine liebe Muz!

Diese Tage fand ich eine Abbildung von R. Rolland, die ich Dir hier flüchtig zeigen will. Ich nehme an, dass Du sicher daran Interesse haben wirst. Er hat einen Kopf, der ganz für die Musikwissenschaft geschaffen, d.h. geeignet ist. – Es ist ein mathematischer Schädel. Man kann wegen der schlechten Aufnahme nicht viel daran sehen. Ich werde Dir, wenn ich einmal Gelegenheit habe näheres von ihm zu erfahren, von ihm, d.h. über sein Leben und Schaffen, näheres sagen.. – Hoffentlich geht es Dir und allen anderen gut. – Heute erhielt ich von der Barthhofbäuerin die Nachricht, dass sie heute mit dem Abendzug hier ankommt und am Mittwoch oder Donnerstag wieder nach dem Gut zurückfährt. Sie möchte haben, dass ich gleich mit ihr fahre. Es ist aber mir nicht möglich die schöne Stadt sofort zu verlassen, weil ich unbedingt die Möbel, einen Schrank, einen Tisch, eine Bank und noch einen Stuhl in die Werkstatt transportieren will. – Denn was man hat das hat man! Die Kohlen habe ich immer noch nicht. Ich hoffe aber dass sie die nächsten Tage geliefert werden. –

Ich gehe dann sofort über die Arbeit! – Ich werde dann einheizen, dass der Ofen glüht! – Und dann, wenn ich keine Kohlen mehr habe, werde ich welche fordern. Ich erfuhr auch soeben, dass ich laut des Reichsmietgesetzes den kleinen Raum nicht bekommen kann. Es wäre mir noch möglich gewesen den letzten Weg der Zwangsbeschlagnahmung zu begehen den ich aufgab. – Denn ich halte es für einen Unsinn, mich heute in einer so ernsten Zeit mit einem so alten Schafskopf herumzubalzen. – Dieser Dummkopf meint schließlich man möchte den schönen Namen Gries, der nach seinem Gebahren über alle menschlichen und soz. Gesetze zu stehen scheint, mit Ernst von seinem modrigen Platz rühren. – Der Vertrag wird mir jedenfalls so lauten, dass ich Mieter des Ateliers mit Nebenraum bin. Ich suche mir jetzt die Werkstatt so einzurichten, dass ich mich bei der Arbeit recht und gut bewegen kann. Wegen dem finanziellen Fall der Behörde, von dem ich Dir bereits schrieb habe ich auch vor, mir den teuren Radio von Beck nicht zu kaufen. –

Ich muss jetzt schon etwas haushalten mit meinem Geld wenn ich mit keiner weiteren Zahlung der Behörden mehr rechnen kann. – Ich habe noch viel zu kaufen, ehe ich mir die Arbeitsmöglichkeit wieder recht geschaffen habe. – Nun Schluss mit dem materiellen .... – Morgen Fahre ich nach München und werde Dich im Geiste neben mir fühlen. – Ich werde Dir dies und jenes zeigen und dann zum Ton gehen und da mit Dir viele Gedanken tauschen. – Ich werde Dich im Geiste herzen und küssen und all die Erlebnisse heraufrufen die wir gemeinsam in jener schönen Zeit hatten als die schöne stolze Stadt grün begrenzt war, als die Vögel sangen und die Tage voll sommerlichen Glanzes aufstanden. – Ich werde Dich abermals zur Isar führen, in die schönen Auen und wie einst mit Dir das gewaltige Rauschen hören das so viele Erinnerungen aus meiner Kindheit weckt. Hebe Dich geliebtes Herz! Die Göttlichkeit die uns alles gibt, bis wir uns wieder sprechen!     

Dein Luis

 

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